
Die Stadt Landshut ist ein zentraler Bildungsstandort in der Region Niederbayern und verfügt über zahlreiche Schulen und Bildungseinrichtungen. Der hervorragend erhaltene gotische Stadtkern stellt vor allem die dort ansässigen Bildungseinrichtungen vor besondere Herausforderungen. Zudem ist Landshut eine der am schnellsten wachsenden Städte in der Bundesrepublik Deutschland, was zu steigenden Schülerzahlen und einem erhöhten Verkehrsaufkommen führt.
Daher beabsichtigt die Stadt im Rahmen der Weiterentwicklung des schulischen Mobilitätsmanagements im Stadtgebiet die Möglichkeiten der 5G-Technologie für eine anonymisierte und automatisierte Verkehrssteuerung rund um Schulen insbesondere für Stoßzeiten zu entwickeln und in Praxistests zu erproben. Dadurch soll die Sicherheit auf Schulwegen nachhaltig erhöht werden, indem Verkehrsbeteiligte auf entsprechende Gefahrensituationen vorbereitet und gewarnt werden. Zudem soll das Projekt einen Anstoß für neue Geschäftsmodelle im Rahmen von Mobility-as-a-Service zu geben.
Ausgangslage
Jeden Tag machen sich deutschlandweit etwa elf Millionen Kinder [1] mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln auf den Weg zur Schule. Allein für das letzte Jahr meldet die DGUV über einhundert Tausend Schulwegunfälle, davon endeten 25 tödlich [2]. Enorme Anstrengungen werden von Seiten der Politik und der Gesellschaft unternommen, um die Verkehrssicherheit für Kinder im Straßenverkehr kontinuierlich zu verbessern. Seit Jahren sind die Zahlen von verunglückten Kindern im Straßenverkehr rückläufig [3]. Auch der technische Fortschritt hilft – trotz immer weiter steigendem Verkehrsaufkommen – die Unfallzahlen zu senken.
Aktuell auf dem Markt etablierte technische Sicherheitssysteme warnen Autofahrer vor allem im außerstädtischen Bereich vor Staus, Gegenständen auf der Fahrbahn oder vor Wildwechsel. Jedoch ist vor allem für Ballungsräume keine technische Lösung verfügbar, die Verkehrsbeteiligte situativ zu erhöhter Rücksichtnahme gegenüber Kindern auf dem Schulweg mahnt. Die steigende Zahl der viel kritisierten so genannten „Eltern-Taxis“ ist ein Zeichen für die Angst der Eltern vor den bestehenden Unsicherheiten für ihre Kinder im Straßenverkehr. Gemäß einer Befragung von Eltern durch den ADAC nach dem Grund für das „Eltern-Taxi“, betreffen unter den Top 6-Antworten die Hälfte Bedenken der Eltern zur Verkehrssicherheit des Schulweges, die sie dazu bewegen, ihre Kinder mit dem Auto zur Schule zu bringen.

In der Stadt Landshut – mit ihren über dreißig Schulen und Bildungseinrichtungen – begeben sich täglich über fünfzehn Tausend Schülerinnen und Schüler auf ihren Weg zur Schule. Einige der Landshuter Schulen befinden sich im historischen Stadtzentrum mit den entsprechenden Einschränkungen für bauliche Maßnahmen und mit zum Teil sehr unübersichtlichen Verkehrsumfeldern.
Die wesentlichen Brennpunkte, das Gymnasium Seligenthal und die Ursulinen-Realschule, wurden mit baulichen Maßnahmen soweit möglich entschärft, dennoch stellen diese beiden Umgebungen alle beteiligten Verkehrsteilnehmer vor massive Herausforderungen.
Problemstellung

Existierende Konzepte zur Erhöhung der Sicherheit des Schulweges, wie das (analoge) schulische Mobilitätsmanagement, gelangen an ihre Grenzen, erfordern diese doch sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Anpassung einen hohen zeitlichen Aufwand, zudem leben derartige Konzepte vom kontinuierlichen Engagement der Beteiligten. Es ist immer wieder zu beobachten, dass etablierte Maßnahmen des schulischen Mobilitätsmanagements bei einem Wechsel der Akteure an Effektivität einbüßen. Zudem bedarf es z.B. bei der Berücksichtigung von Baustellen und Umleitungen bei der Schulwegplanung einer hohen Vorlaufzeit, um die Schulwege anzupassen und alle involvierten Personen zu informieren.
Die Verkehrsüberwachung und -steuerung wird aktuell überwiegend über stationäre Monitoring-Systeme, wie z.B. Stau-Warner auf Autobahnen oder Straßenleitpfosten an Bundesstraßen gewährleistet. Eine flächendeckende Verbreitung dieser stationären Systeme ist u.a. mit hohen Kosten und einem enormen Betriebs- und Wartungsaufwand verbunden. Dezentrale Systeme, wie z.B. Staumeldungen in der Navigation nutzerbasierter Systeme funktionieren über die Handydaten der Nutzer und vermitteln somit ein Bild der aktuellen Verkehrssituation, dessen Zuverlässigkeit jedoch von der Zahl der aktiven Nutzer und der Verarbeitungsqualität und -geschwindigkeit abhängt.
Hinzu kommt, dass GPS-Signale in engen Straßen durch die Bebauung teilweise keine genaue Ortung zulassen und die präzise Erfassung der Verkehrssituation nicht mehr möglich ist.
Verfügbare Lösungen, vor allem aus dem asiatischen Raum wecken dazu deutliche Bedenken bezüglich des Datenschutzes. Derartige Lösungen werfen jedoch neben ethischen Fragen auch datenschutzrechtliche Bedenken auf und dürften so auf wenig Akzeptanz in entsprechenden Nutzerkreisen stoßen.
Langfristige Zielsetzung und gesellschaftlicher Nutzen
Langfristig will die Stadt Landshut in erster Linie die Zahl von Unfällen mit Kindern gegen Null reduzieren und das Sicherheitsgefühl von Schulkindern und Eltern deutlich steigern.
Bei erfolgreicher Umsetzung des Projekts erwartet die Stadt Landshut zudem Erfahrungswerte zur Implementierung weiterer Maßnahmen im Bereich von Smart Mobility. Eine erste Ausbaustufe wäre z.B. ein Echtzeit-Leitsystem für Rettungsfahrzeuge. Die während der Erprobung gemachten Erfahrungen werden zudem die Vorbereitung und Planung eines stadtweiten 5G-Verkehrsleitsystems deutlich verkürzen und den Einstieg in Smart Mobility erleichtern.

Der gesellschaftliche Nutzen liegt zunächst in der zusätzlich geschaffenen Sicherheit für Schüler/-innen und Eltern, geht aber darüber hinaus. Zunächst trägt ein erhöhtes Sicherheitsgefühl der Eltern nachweislich bereits zu einer Entspannung der Verkehrssituation bei, da Eltern ihre Kinder seltener mit dem Auto zur Schule fahren. Auch ermöglicht die Erfassung der Verkehrssituation im Einzugsgebiet von Schulen eine dynamischere Verkehrsregelung in diesen Brennpunktgebieten, wodurch auch die Staugefahr deutlich gemindert werden kann. Eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und die Motivation, auf dem Schulweg zu Fuß zu gehen oder ein Fahrrad zu nutzen fördert zudem die Gesundheit und reduziert den CO2-Ausstoss.
Zudem gehen wir davon aus, dass wir mit diesem Projekt neue Geschäftsmodelle im Bereich Mobility-as-a-Service inspirieren werden. Beispiele hierfür können die Etablierung von Ridesharing für den ergänzenden Schülertransport, Mobilitätskonzepte unter Nutzung von Leih-Lastenfahrrädern und eine bedarfsgerechte Flexibilisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sein. Zur Identifikation neuer Geschäftsmodelle werden wir mit der Fakultät Betriebswirtschaftslehre der HAW Landshut, sowie dem Cluster „Mobile Business“ des Netzwerks Internet und Digitalisierung Ostbayern (INDIGO) zusammenarbeiten.
Quellen
[1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/03/PD18_089_211.html
[2] https://www.dguv.de/de/zahlen-fakten/schuelerunfallgeschehen/schul-wegunfaelle/index.jsp